Die Politisierung der europäischen Integration
Die europäische Integration nimmt einen zunehmend hohen Stellenwert auf der politischen Agenda ein. Sowohl für Parteien, Interessensgruppen, Journalisten und Bürger gewinnt der europäische Einigungsprozess an politischer Relevanz. Wie lässt sich dieser Bedeutungszuwachs empirisch fassen und erklären? Nimmt die zunehmende öffentliche Auseinandersetzung über die europäische Integration Einfluss auf den weiteren Kurs und die demokratische Legitimität der EU? Und welche politischen Effekte hat diese Entwicklung? Das Projekt „Politisierung der europäischen Integration“ führt unsere Forschung zu Formen, Dynamiken, Ursachen und Auswirkungen gesellschaftlicher Umstrittenheit der europäischen Einigung zusammen.
Dabei untersucht das Projekt die Ausnahmestellung der Europäischen Union, die sich weder als typische Internationale Organisation noch als Nationalstaat fassen lässt, vor dem Hintergrund einer zentralen Arbeitshypothese der Abteilung Global Governance: Es wird erwartet, dass die zunehmende Autorität Internationaler Institutionen zu ihrer gesellschaftlichen Politisierung führt, wobei Art und Ausgestaltung dieser Politisierung von der wahrgenommenen Legitimität der jeweiligen Institutionen abhängen. Empirisch stützt sich das Projekt zum einen auf kombinierte Daten aus früheren Forschungsprojekten zur öffentlichen Debatte über das EU-Budget und zur „policy responsiveness“ der Europäischen Kommission. Zum anderen werden Forschungsergebnisse aus parallel laufenden Projekten zur Autorität Internationaler Organisationen, zur gesellschaftlichen Politisierung internationaler Institutionen im Längs- und Querschnitt, sowie zur Entstehung politischer Cleavages infolge von Denationalisierungsprozesseneinbezogen.
Ausgehend davon wird die Frage gestellt, inwiefern öffentliche Debatten und Auseinandersetzungen über die europäische Schuldenkrise als Ausdruck eines allgemeinen Prozesses hin zu zunehmender Politisierung zu verstehen sind, oder ob sie sich als völlig neue Form gesellschaftlicher Umstrittenheit auffassen lassen. Auch wird untersucht, ob Fragen der institutionellen Gestaltung der EU in gleicher Weise umstritten sind wie Politikinhalte, so z.B. Verbraucherschutzrechte oder das EU-Budget. Auf dieser Basis lassen sich die Effekte gesellschaftlicher Politisierung auf weitere Kompetenzübertragungen zugunsten der EU und die demokratische Legitimität dieser supranationalen Institution genauer bestimmen.