Tuesday, 28 November 2017

Russlands Gegenströmung. Akteure und Schlüsselkonzepte eines neuen illiberalen Konservatismus

Vortrag von Katharina Bluhm

Die aktuelle Gegenbewegung (Polanyi) zum globalen Freihandel und finanzmarktdominierten Kapitalismus wird oft mit dem Begriff des Populismus belegt. Diese Bezeichnung entspricht selten der Selbstdefinition ihrer Protagonisten und übersieht etwa die Versuche im rechten Spektrum, einen illiberalen Konservatismus neu zu formieren.

Für die Genese dieses neuen Konservatismus ist Russland ein zentraler und zugleich besonderer Fall. Zentral ist er aufgrund des politischen Gewichts des Landes, in dem bereits seit Beginn der 2000er Jahre erhebliche intellektuelle und finanzielle Ressourcen in diverse Klubs, Think-Tanks, Internetplattformen und Verlage fließen, die sich diesem Projekt verschrieben haben. Der Fall ist besonders, weil die weltpolitische Position Russlands und seine geistige Tradition dem illiberalen Konservatismus eine spezifische Prägung geben.

Der Vortrag skizziert die Genese des intellektuellen Felds dieses neuen russischen Konservatismus, in dem sich Reformgegner der 1990er Jahre mit einer jüngeren Generation von Intellektuellen zusammengeschlossen haben. Letztere wurden weit vor Putins offiziellem Bekenntnis zu „konservativen Werten“ ab 2012/2013 vom „Kreml“ gefördert und in auskömmliche Positionen gehoben. Das konservative Feld hat jedoch auch eine erhebliche Dynamik entfaltet, die sich nicht einfach „von oben“ steuern lässt und in massive Elitekonflikte eingebettet ist. Zentrale Gruppen von konservativen Ideologen werden vorgestellt und Schlüsselkonzepte des neuen russischen Konservatismus herausgearbeitet (z.B. der Entwicklungsstaat).

Die Forderung nach „voller“ Souveränität wird mit einem konservativen Konzept von Tradition unterlegt, das sich in einem eigentümlichen Spannungsfeld zwischen der Suche nach internationaler Anschlussfähigkeit und dem Rückzug auf das Eigene bewegt.

Katharina Bluhm ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Osteuropa an der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Varianten des Kapitalismus in Mittel- und Osteuropa, Institutionentheorie, Rolle der Eliten, Arbeits- und Sozialpolitik. Zum Thema des Vortrags sind bereits erschienen: „Modernisierung, Geopolitik und die neuen russischen Konservativen“ (Leviathan, 1/2016) sowie „Machtgedanken. Ideologische Schlüsselkonzepte der neuen russischen Konservativen“ (Mittelweg 36, 6/2016).

Vortrag im Rahmen der WZB-Reihe Great Crisis of Capitalism - A Second Great Transformation?