Arbeitsvermittlung – immer mehr Marktgesetzen unterworfen. Von den Dilemmata wohlfahrtsstaatlicher Aktivierung
Die in zahlreichen westeuropäischen Ländern vollzogene „aktivierende Wende“ der Arbeitsmarktpolitik beinhaltet eine Verstärkung des Drucks auf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Arbeitsplätze unterhalb ihres Qualifikationsniveaus anzunehmen. Weniger beachtet wurde bislang die zunehmende Vermarktlichung der Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren bei der Arbeitsvermittlung. Diese Kommerzialisierung von Arbeitsmarktdienstleistungen hat Auswirkungen auf deren Inhalt und Qualität sowie auf die Arbeitsbedingungen und die professionellen Rollen des Fachpersonals bei den Arbeitsagenturen und privaten Vermittlern.
Dreh- und Angelpunkt klassischer Regime-Typologien des Wohlfahrtsstaates bildet das jeweilige Arrangement von Markt, Staat und Familie bezüglich der Wohlfahrtsproduktion. Über die Anbieter sozialer Dienstleistungen und insbesondere den Austausch zwischen öffentlichen Kostenträgern und nichtöffentlichen Leistungserbringern sagen sie wenig. Der empirische Ländervergleich von Dänemark, Deutschland und Großbritannien zeigt sehr unterschiedliche Entwicklungspfade und Marktstrukturen im Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen.
Es gibt verschiedene Stellungen und Rollen staatlicher Akteure als „Markt-Macher“ und unterschiedliche Konstellationen des Zusammenwirkens von Zentralstaat, lokalen Behörden und Anbietern von Arbeitsmarktdienstleistungen. Im Einklang mit Ergebnissen von vergleichenden Studien zum Leistungsprofil der Wohlfahrtsstaaten weist die Entwicklung in Deutschland auf eine Positionsverschiebung in Richtung des liberalen Wohlfahrtsstaatstyps hin. Bei der Hartnäckigkeit, mit der markförmige Arbeitsmarktdienstleistungen in Deutschland inszeniert werden, könnte man das sogar als ordoliberales „Überholen“ des britischen Referenzmodells verstehen.
Den Kommentar übernimmt Karen Jaehrling vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Sie betreut derzeit das DFG-Projekt „Öffentliche Auftragsvergabe als neue Arena industrieller Beziehungen“.
Matthias Knuth war Leiter der Forschungsabteilung „Arbeitsmarkt – Integration – Mobilität“ im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen und ist dieser nach dem altersbedingten Ausscheiden weiterhin als Research Fellow verbunden.
Ian Greer ist Senior Research Associate an der Industrial and Labor Relations School der Cornell University, USA. Davor war er Direktor des Work and Employment Research Unit der Universität Greenwich, UK.
Zusammen mit Flemming Larsen und Karen Breidahl führten sie ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt durch, dessen Ergebnisse kürzlich bei Oxford University Press veröffentlicht worden sind: „The marketization of employment services. The dilemmas of Europe's work-first welfare states“
Vortrag im Rahmen der WZB-Reihe Great Crisis of Capitalism - A Second Great Transformation?